Die Stimmen mehren sich, man müsse »mit Corona leben« – heißt: los werden wir das mistige Virus sowenig wie dessen Verwandten Influenza –; und es ist ja im Frühjahr 2021 – anders als noch 2020 – an sich problemlos möglich.
Denn es gibt, anders als vor einem Jahr, Impfstoffe sowie eine Auswahl an Schnell-, Selbst- und PCR-Tests. Also, zumindest außerhalb der Bundesrepublik.
Vom – zumindest gefühlten – Testweltmeister 2020 ist Deutschland mittlerweile abgerutscht in die Nähe der Abstiegsränge. Und das ist nicht gut: wir öffnen die Schulen, ohne das Infektionsgeschehen durch Testungen von Unterrichtenden und Unterrichteten zu überwachen. Wir öffnen Friseure – und, je nach Bundesland, auch weitere Unternehmungen –, ohne das Infektionsgeschehen durch Testungen zu überwachen. Über Trump hat man gelächelt, von wegen Zahlen runter bringen durch weniger Tests. Und jetzt?
Es war vor ca. 10 Monaten doch Konsens, daß man »testen, testen, testen« müsse, um zu wissen, wie die Virusausbreitung sich entwickelt. Im August 2020 waren wir bei 1.000.000 PCR-Tests pro Woche, im November bei ca. 1,6 Millionen. Seit dem Jahreswechsel scheint Deutschland die Lust am Testen verloren zu haben, die Anzahl der Tests ist rückläufig, während die Anzahl der positiv getesteten steigt.
Auch ist Deutschland wieder auf das alte Testregime zurückgeschwenkt, getestet wird nur bei Vorliegen von Symptomen — und das im Wissen, daß es viele asymptomatische Erkrankungen gibt, das Virus also von vermeintlich Gesunden weitergegeben wird. Also doch lieber nicht so genau hinschauen, vielleicht klappt’s dann ja trotz B.1.1.7 noch mit der Inzidenz 35?
Von Virologen kommen weiter Warnungen vor Lockerungen, aber mal ganz ehrlich: die Bundesliga macht es nun seit rund einem halben Jahr vor, daß mit massivem Einsatz von Tests selbst Kontaktsport möglich ist.
Seit November ist Deutschland in einem leichteren Lockdown als vor einem Jahr — damals ›halfen‹ allerdings auch durch panische Grenzschließungen zerberstende Lieferketten der »Just-in-time«-Ökonomie, die zur Schließung von Produktionsstätten und somit weniger Bewegung führten. Weniger Kontaktbeschränkungen bedeuten aber typischerweise einen Anstieg an Infektionen. Und seit dem 1. März sind Friseure, und vielerorts auch Gartencenter und anderes, geöffnet; die Schulen sind für Grundschul- und Abschlußjahrgänge in vielen Ländern schon seit zwei Wochen wieder offen.
Weitere »sechs bis acht Wochen«, wie von virologischen bzw. epidemiologischen Fachleuten gefordert, weiterhin alles andere geschlossen zu lassen, kann nicht der Weg sein. Es muß umgehend ein Konzept umgesetzt werden, welches durch gezielte ›Freitestungen‹ wieder Gastronomie, Handel und Vereinsleben ermöglicht, zumal die Durchimpfung der Gruppe 1 sich dem Ende nähert. Letztlich sind auch Supermärkte die ganze Zeit über geöffnet gewesen; Einzelhandel kann also pandemiekonform realisiert werden.
Der Staat mag einen großen Spielraum haben in der Art, wie er den besonderen Schutz des Lebens lt. Grundgesetz umsetzt; aber nach einem Jahr Pandemie sind auch andere Maßstäbe an sein Handeln anzulegen als zu Beginn jener. Nach einem Jahr ›auf-Sicht-fahren‹ wird deutlich, daß die Planung in der Zeit zu kurz gekommen ist. Im Vier-Wochen-Rhytmus »öh, ja, 5035 nicht in Sicht, weitermachen, wir schnacken in vier Wochen wieder« zu sagen, ist nicht mehr verhältnismäßig. Der Lockdown kostet, Steuermittel und Steuereinnahmen — das muß irgendwann auch irgendwer bezahlen. Wie üblich die jüngeren Generationen, während in fünf bis zehn Jahren die heutigen Akteure wohlig von ihrer unkürzbaren Pension leben.