Am 09.06.2024 zeigt die Gütersloher Kommunalpolitik erneut, was sie vom Votum der Wähler (d/m/w) hält, nämlich nicht viel: auf Betreiben einer Mehrheit der – gewählten – Ratsmitglieder (d/m/w) sollen die Wähler die Abwahl des – direkt gewählten – Bürgermeisters beschließen, rund 15 Monate vor dem regulären Ende dessen Amtszeit …
Seit Anfang Mai plakatiert eine informelle schwarz-grüne Koalition für ihre polemisierenden Kampagnen – »Neustart für Gütersloh« (Grüne) bzw. »JA für Gütersloh (CDU)« –, die die Abwahl des vor gut 3 Jahren von den Bürgern (d/m/w) direkt gewählten Bürgermeisters als alternativlos darstellen.
Mit unserer Kampagne „JA für Gütersloh“ möchten wir den Fokus auf die Zukunft richten, denn Gütersloh braucht schnell eine verlässliche Lösung. Ein Bürgermeister beziehungsweise eine Bürgermeisterin braucht ein vertrauensvolles Verhältnis zur Verwaltung, zur Politik und zu den Bürgerinnen und Bürgern. Wir brauchen schnell Ruhe in sowieso schon unruhigen Zeiten. Ihr „JA“ für Gütersloh können Sie am 09.06. geben.
Quelle: https://cdu-guetersloh.de/ja-fuer-guetersloh
Kleverer Marketing-Schachzug, denn gegen »JA für Gütersloh« kann man schlecht »NEIN für Gütersloh« texten, das ist zwingend negativ konnotiert.
Noch ein Stück dreister geht’s bei den Grünen zu:
Wir wollen, dass Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft miteinander ein zukunftsfähiges Gütersloh entwickeln und gestalten.
Dies kann mit dem suspendierten Bürgermeister und aufgrund der gegen ihn laufenden strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Ermittlungen nicht erreicht werden. Gütersloh benötigt dafür eine neue Führungsperson, die sich als Kommunikator/in zwischen Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit versteht.
Für ein Gütersloh, das weltoffen, vielfältig und demokratisch ist und beim Klimaschutz vorangeht.
Quelle: https://neustart-guetersloh.de/?page_id=111
Kurzum: Grüne und CDU stellen sich öffentlich gegen den zeitgleich mit ihren Ratsmitgliedern vor gut drei Jahren gewählten Bürgermeister, weil ihnen seine Frisur, sein Auftreten, seine Herangehensweise nicht gefällt.
Und das, nachdem die Spitze der Verwaltung – dessen Haupt und Kontrolleur der Bürgermeister ist – vor einem Jahr eine – wie es sich jetzt darstellt, nachdem die Staatsanwaltschaft Bielefeld ihr Verfahren gegen Geldauflage eingestellt hat – Rufmordkampagne gegen den Bürgermeister gestartet hatte, und ohne den Ausgang der Verfahren abzuwarten.
Nein, um die eigene Entscheidung zu retten, ein Abwahlverfahren einzuleiten – weder CDU noch Grüne beziffern in ihren Kampagnen die Extrakosten, die a) die Abwahlabstimmung und b) eine ggf. notwendige außerordentliche Neuwahl für die Stadt Gütersloh bedeuten – starten Grüne und CDU eine Desinformationskampagne, die dem Bürgermeister »unverantwortliches Verhalten gegenüber den Mitarbeitenden und für die ganze Stadt« (Grüne) vorwirft, ohne Nachprüfbares für die Wähler zu liefern.
Alleine, daß mit der Begründung »Staatsanwaltschaft und die kommunale Aufsicht hatten Ermittlungen gegen ihn aufgenommen« der Rat »[v]or diesen Hintergründen […] im März 2024 […] beschlossen [hat], ein Abwahlverfahren […] einzuleiten« diskreditiert den Rat mehr als den Bürgermeister: schuldig, nur weil ermittelt wurde?
Ich fordere zwar gerne im sarkastischen Kontext eine einstweilige Erschießung — daß Gütersloher Ratsmitglieder derlei real als adäquates Mittel anwenden wollen, läßt dann doch an ihrer Verwurzelung in der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung – und damit ihrer Eignung als Ratmitglied – zweifeln.
Mit »Anstand und Respekt«, wie von den Grünen plakatiert, hat das eingeleitete Abwahlverfahren jedenfalls nichts zu tun.
In dem Kontext ist auch der Werdegang Morkes’ bis zum Bürgermeister zu beachten. 2020 setzte sich Norbert Morkes in der Stichwahl mit 57,86 Prozent der Stimmen gegen den Amtsinhaber Henning Schulz (CDU, 42,14 Prozent) durch. Morkes war seinerzeit angetreten – IIRC, ich finde auf die schnelle keine Zitate –, die Gütersloher Verwaltung umkrempeln zu wollen. Als nun 25+ Jahre in Gütersloh lebender Bürger konnte und kann ich die Notwendigkeit dessen nur bestätigen, ein solches Ansinnen also nur befürworten — 50+ Prozent der Wählenden (d/m/w) 2020 sah das offensichtlich ähnlich.
Seit 2020 ist also die Verwaltungsspitze von jemandem besetzt, der dem bisherigen Verwaltungshandeln gegenüber skeptisch eingestellt ist und der sich darin durch eine Mehrheit der Wählenden bestätigt sieht.
Kann das Setup konfliktfrei laufen? IMHO: No way. Das war auch nicht das Ziel, das war nicht, warum Morkes die Stichwahl gegen Schulz nach dessen 1. Amtszeit gewonnen hatte.
Zu den Vorwürfen:
Dienstwagen: Morkes war vorher AFAICS Freiberufler; warum hat ihn niemand aus seinem Verwaltungsumfeld darauf hingewiesen, daß er ein Fahrtenbuch führen, private Fahren ersetzen muß? Warum habe ich ein Bild vor Augen von einigen nach unten schauenden Hyänen mit der Bildunterschrrift »Warte ab, darüber stolpert er noch!«? Warum wurde Morkes augenscheinlich nie auf dieses Detail hingewiesen — es war ja bekannt, daß Morkes, anders als Bürgermeister zuvor, eben keine Verwaltungskarriere durchlaufen hatte? Anyway, das hat er ›eingeräumt‹, und solange Morkes keine familiären Urlaubsreisen – vollkommen legal für 1%ler in der ›freien Wirtschaft‹ – mit dem städischen Kfz absolvierte bzw. auch diese der Stadt nach Kenntnisnahme der Regelungen ersetzte: who cares?
Eigenmächtige Verhandlungen: hier steht Aussage – Grüne: »eigenmächtig Verhandlungen bei Vorhaben aufgenommen hat, die Ratsbeschlüssen entgegenstehen« – gegen Aussage – Morkes: »Außerdem verweist er auf die Gesetzeslage, wonach er als Bürgermeister bestimmte Aufgaben und die Bearbeitung einzelner Angelegenheiten selbst übernehmen könne. Fünf Beispiele führt er auf, wo sein „schnelles und unkonventionelles Handeln das eine oder andere Mal Situationen klären“ konnte. Außerdem habe er „Hilfestellung leisten und Brücken zwischen Verwaltung und Investoren bauen“ können.« –, und keine der Kampagnen von CDU oder Grünen unterfüttern ihre Behauptungen mit nachprüfbaren Fakten.
Ich spare mir hier Fallkonstellationen — zu Anschuldigungen, ›bei denen immer etwas hängen bleibt‹, kann Jörg Kachelmann sicher mehr als ein Lied singen. Manche Anschuldigungen alleine sind schon so ehrrührig, das es keines juristischen Urteils bedarf — und der Gütersloher Rat spielt sich dennoch, uninformiert, mindestens aber unangemessen, in der Causa Morkes zum Richter auf.
Ansonsten bin ich durchaus einem Ü65-Verbot in der Politik nicht abgeneigt — das Klimbim-Motto „dann mach‘ ich mir ’nen Schlitz ins Kleid und find‘ es wunderbar“ ist aktuellen Jungwählern eher nicht vermittelbar, was für die Moral der damaligen Zeit an sich gilt. Aus ca. 30 Jahren davor stammt »die Frau gehört am Kochtopf«, ein Zeichen, daß und wie sich die Gesellschaft verändert …
Anyway: die Abwahl-Propaganda von Grünen und der CDU verspottet den demokratischen Prozeß, und schon deshalb *muß* das Mehrheitsvotum das Abwahl-Ansinnen in die Wüste schicken. Letztlich ungeachtet der Person Morkes …