Hmm. Dieses Mastodon-Feature »Content Warning« ist kompliziert.
Mastodon ist nicht Twitter. Aber wenn ich doch viele meiner »Peers« nun auch im Fediverse via Mastodon finde — does it matter?
Zwei Dinge sind ganz klar technisch anders: eine »Direct Message« ist »nur« eine direkte Nachricht — keine private Nachricht. Will ich Privatheit, nehme ich nicht eine DM in Mastodon/im Fediverse, sondern nutze ein anderes Medium. (Wenn man mich fragte: Mail. Aber ich bin auch aus dem letzten Jahrtausend.)
Und dann gibt es »bei Mastodon« die sogenannten »Content Warnings«, praktisch eher ein »Spoiler«-Tag, wie ihn auch Discourse eingeführt hat. Oder wie der more-Tag hier in WordPress: Text, Tag. Mehr erst nach Klick auf »more«. (Hmm, eigentlich wäre das prädestiniert für Blogposts in Mastodon: Text bis zum more-Tag als CW-Pretext, CW, dahinter die ersten ~300 Zeichen des Posts plus Link, wenn man auf »more« geklickt hat.)
Aber zumindest in Teilen des deutschen Fediverses hat die Nutzung von CW eine Umwidmung erfahren:
CWs sind nicht einfach „Triggerwarnungen“, sondern helfen z.B. auch in Situationen wie „ich will grad echt nix mehr von Musk hören“ oder „das waren genug negative Klimawandel-Nachrichten für heute“. Anstatt komplett nicht mehr in Mastodon reinschauen zu können, weil Thema X gerade zu sehr belastet, kann man sich anhand der CWs aktiv entscheiden „nee, das brauch ich gerade nicht“. Ein wichtiger Faktor, warum hier weniger Doomscrolling ist.
Hmm. »Doomscrolling«? Nie gehört, aber das Phänomen scheint es wohl zu geben. Aber konsequent umgesetzt, müßte jeder Beitrag gen Mastodon mit einer Taglist & CW gepostet werden, damit der Leser (d/m/w) anhand der Taglist sich entscheiden kann, ob er nachgucken möchte, was geschrieben wurde. Ist das überhaupt leistbar?
Btw, dein „tatsächlich belastendes Material“ ist sehr subjektiv. Für dich mag das belastend sein, für andere hingegen gar nicht, aber z.B. eine Erwähnung von Alkohol viel mehr.
Für mich ist die Unhöflichkeit, Anredepronomen klein zu schreiben, belastend (kein Witz), also bitte ggf. »laxe neue Rechtschreibung« als CW anbringen, danke. Ebenso bringt mich konsequente, klein-Schreibung und, verquere Zeichen-, setzung auf die Palme. (Auch kein Witz.)
Klassischerweise wird NSFW-Content (»not safe for work«, also etwas, was man an einem (US-amerikanischen) Arbeitsplatz besser nicht aufruft) entsprechend markiert und mit den Mitteln des Mediums (klassisches Usenet: 25 Leerzeilen oder ^L, IIRC) vor direkter Sichtbarkeit verborgen.
Nun ist auch »NSFW« relativ — rotten.com-Inhalte waren es auch in D, bei anderen Inhalten greifen kulturelle Unterschiede. Ich zum Beispiel feiere – so formuliert man wohl heute – den zelebrierten Alkoholkonsum bei »Inas Nacht« hart ab. Weil — das führte jetzt zu weit.
Ja, ich kann mir vorstellen, daß das andere Menschen nicht so sehen; aber es ist ein bekanntes Thema bei der Sendung, und bei der Frage, ob jemand, der das nicht sehen möchte, einfach nicht einschalten sollte, oder die Sendung abgesetzt/das Konzept diesbezüglich radikal geändert werden sollte, habe ich eine sehr klare Meinung.
Was ich an dieser Argumentation nicht verstehe: Wieso sollte die Verantwortung fürs „belastende Inhalte“ auf die Schreibenden abgewälzt werden? Welche Argumente sprechen dafür?
Mastodon und Friendica haben nämlich echt gute Filtermöglichkeiten. Wenn ich nichts über den Klimawandel lesen möchte, kann ich die entsprechenden Posts aus meiner Timeline entfernen lassen, ohne die Ergonomie der Software für alle anderen durch zusätzliche Überschriften und Ausklappmenüs zu verschlechtern.
Lustig, wir sind im Jahre 2022 wieder mal beim *plonk* — und der Frage, wer für seine geistige Gesundheit zu sorgen hat: der Leser oder die Allgemeinheit.
Auch da, wie klar geworden sein dürfte, sehe ich nicht die Allgemeinheit in der Pflicht. Zivile Umgangsformen, gegenseite Rücksichtnahme, alles gut und schön — aber niemand kann verlangen, daß jemand mit einer Warze auf der Nase nur verhüllt vor die Tür geht, weil der Anblick der Nasenwarze für Einzelne belastend sein könnte. Und – nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich – im Grunde wird dies hier gefordert: aufgrund einer nicht öffentlichen, nicht abschließenden Liste von anstößigen Dingen sollen diese im öffentlichen Diskurs bitte nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen werden.
3. Mein Usecase ist nicht „ich will Thema X niemals sehen“, sondern „es ist Mittwochabend, ich will einfach entspannt durch die Timeline scrollen und spontan, in Sekundenbruchteilen, entscheiden können, ob ich den Toot zu Thema X gerade anschauen mag oder nicht“.
Das ist dann aber eben eine Mailingliste, eine Newsgroup oder ein Forum – allen gemein ist die Trennung in »Überschrift« und »Inhalt« – und kein Kurznachrichtendienst – charakterisiert eben durch das Fehlen dieser Unterscheidung.
Hey #neuhier-Leute! Kurze Bitte: Benutzt mehr #CWs, also „Content Warnings“, und zwar nicht nur für Dinge, die ihr eklig/furchtbar/„not safe for work“ findet.
Meine Faustregel ist eher: Alles, womit sich Leute womöglich (evtl. auch nur zeitweise) nicht beschäftigen wollen. Vor allem merke ich gerade einen Mangel an „Politik“-CWs. Es wird oft „DEpol“ dafür geschrieben, also „Deutschlands Politik“. Entsprechend gibt’s auch „USpol“ etc.
Wie gesagt, ich finde so manche Regel der neuen Rechtsschreibung anstößig, auch teilweise den Umgang damit, und ehrlich gesagt möchte ich mich mit CWs auch nicht mehr auseinandersetzen (im Client habe ich nun auf »immer ausklappen« geklickt und fertig ist die Laube). Aber unter »womöglich nicht beschäftigen wollen« fällt zwingend jedes auch nur latent kontrovers betrachtbare Thema — also gäbe es eine CW-Pflicht außer bei Faktenwiedergabe. Wenn aber jeder Beitrag hinter einer »CW-Wall« verschwindet, wird das CW-Feature nachgradig nutzlos — und kann dann auch weg.
Im Grunde hätte ich nichts dagegen, würden zukünftig Mastodon-Nachrichten – wie ein Blogbeitrag – zwingend eine Überschrift und einen Inhaltsbereich haben. Bei der möglichen Länge der Nachrichten ist das ja auch wirklich eher ein Microblogging- denn ein Kurznachrichtendienst. Aber CWs erscheinen schon technisch nicht in der Lage, das Gewünschte zu leisten — das mag in eingeschworenen Zirkeln funktionieren, weil man die Funktion nach eigenen Vorlieben umgewidmet hat. ›At large‹ funktioniert das eher nicht.
Zitate stammen aus einem Thread auf chaos.social.