Der #Bundesfuckup

Meh. Die Pandemie grassiert, die Landesregierungen lassen’s laufen und die Bundesregierung will nun das Heft des Handelns an sich ziehen. 2021, eine reale Dystopie, im Hier und Jetzt.

Rekapitulieren wir: am 24.03. wurde die am 23.03. in einer bis tief in die Nacht laufenden Konferenz der Ministrerpräsidenten mit der Bundes­kanzlerin kon­zeptionier­te und ver­kün­dete »Oster­ruhe« – mit Grün­don­ners­tag und Kar­sams­tag als »Ruhe­tagen«, quasi Feier­tagen, die keine sind aber so funktionieren sollen, wobei am Samstag Lebensmittelgeschäfte normal öffnen sollten – gekippt, da »in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar«. Merkel entschuldigt sich vor der deutschen Öffentlichkeit dafür, Maßnahmen trotz der weiter an­stei­gen­den In­fek­tions­zahlen werden bis Ostern nun keine mehr ergriffen.

Am Sonntag abend sitzt Merkel dann Anne Will Rede und Antwort, und sagt den Satz: »Ich werde jetzt nicht tatenlos 14 Tage zusehen, und es passiert nichts, was nicht auch eine Trendumkehr verspricht«.

Allein: Aktiv wurde Merkel die nächsten 14 Tage nicht. Erst nach mehr als den besagten 14 Tagen, eine Woche nach Ostern, kommt die sogenante »Bun­des­not­bremse« am 13.04. ins Bun­des­kabinett: das In­fekt­ions­schutz­ge­setz soll geändert werden, sodaß ab einer Inzidenz von 100 bestimmte Ein­schränk­ungen zwingend in Kraft treten.

Aus der »Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD« wird klar, wie alternativlos dieses Vorhaben ist:

A. Problem und Ziel

[…]

B. Lösung

[…]

C. Alternativen

Keine.

Ja nee, iss klar. Die Landesfürstinnen und -fürsten handeln nicht im Sinne des Kanzleramtes, also muß – mit immenser Verspätung – der Bund nun handeln dürfen können — klar, daß das alternativlos ist.

Und die Ideen des Kanzleramtes sind auch ungemein frisch und zielführend:

Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei auf­ein­an­der­fol­gen­den Tagen die […] [Sieben-Tage-Inzidenz] den Schwellen­wert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag die folgenden Maßnahmen:

  1. Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum sind nur gestattet […]
  2. Der Aufenthalt von Personen außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft und dem jeweils dazugehörigen befriedeten Besitztum ist von 21 Uhr bis 5 Uhr des Folgetags untersagt; dies gilt nicht für Aufenthalte, die folgenden Zwecken dienen: […]
  3. Die Öffnung von Freizeiteinrichtungen […] sind untersagt.
  4. Die Öffnung von Ladengeschäften und Märkten mit Kundenverkehr für Handelsangebote ist untersagt, wobei der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, ebenso Getränkemärkte, […] Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte […] und Gartenmärkte mit den Maßgaben ausgenommen sind, dass […]

Alles hausbackene Maßnahmen, die zwischen Bund und Ländern schon längst besprochen sind. Neu ist nur die Ausganssperre zwischen 21 und 5 Uhr, wobei dieses Mittel auch in verschiedenen Bundesländern schon angewandt wurde. Und jünst vermehrt von Gerichten kassiert, da Wirksamkeit nicht nachgewiesen und unverhältnismäßig. Neu wäre auch, daß nun bundesweit ab Inzidenz 100 Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte und Gartenmärkte geöffnet bleiben dürften — yeah! Okay, wirklich neu wäre, daß ab einer Inzidenz von 100 wirklich etwas passieren würde; Tübingen oder das Saarland müßten genauso schließen wie Gütersloh oder Göppingen.

Aber leider geht man falschen Wege: abendliche Ausgangssperre ohne Beschränkung der betrieblichen Kontakte belastet wieder sinnlos nur den privaten Bereich, ohne nachgewiesen höhere Wirkung auf das Infektionsgeschehen als andere Maßnahmen. Und anders als in Schulen (»Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen sind bei Teilnahme am Präsenzunterricht zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit Coronavirus SARS-CoV-2 zu testen.«) gibt es keinerlei Testauflagen für den Wirtschaftbereich. Während, gefühlt relativ willkürlich, Geschäftsschließungen im Gastronomie- und Unterhaltungsbereich sowie im Einzelhandel verfügt werden, wird das produzierende Gewerbe nicht angetastet. Nicht einmal die Minimalmaßnahme, eine vergleichbare Testpflicht wie in Schulen für alle in Präsenz Arbeitenden, wird vorgesehen. Nichts, nada.

Und dann die Grenzwerte: 100 für die Allgemeinheit, 200 für Schulen, Kitas. Hallo? Schon die 100 sind hahnebüchen, 50 war bis Ende 2020 doch die Zahl, bei der die Gesundheitsämter nicht mehr nachverfolgen könnten — wo kommen jetzt die 100 her? Und Schulen, Kitas bleiben bis zu 200er Inzidenzen auf — wohl wissend, daß gerade im Bereich der Schulen Infektionen stattfinden. Wohl wissend, daß die Schnelltests montags und mittwochs nach Betreten des Schulgrundstückes nicht alle Infizierten ausweisen. Das ist faktisch fahrlässige, wenn nicht versuchte, Körperverletzung im Amt, was seitens der Bundesregierung – und, wenn die CDU-CSU- sowie die SPD-Fraktionen da mitspielen, auch seitens dieser Abgeordneten – geplant wird.

Und das Gesetzesvorhaben wird sich noch ziehen; derweil könnten die Ministerpräsidenten und -innen allerdings durchaus etwas tun, das Infektionsschutzgesetz verpflichtet sie keinesfalls, wie das Kanninchen auf die Schlange zu starren. Jene scheinen aber eher daran glauben zu wollen, daß bei besserem Wetter auch die Zahlen sich besserten. In der Wirtschaft würde man es Arbeitsverweigerung nennen.