Es fehlt nicht mehr viel, und selbst ich trete in eine, nein, die PARTEI, ein — denn was der eigenverortete Mittelschichtsbürger Merz so an Bullshit absondert, wird zunehmend unerträglich.
Am 30.01.2025 trat Merz in Dresden auf und versuchte als Außenstehender, das angemessene Mißtrauen in die elektronische Patientenakte zu zerstreuen. »Als Außenstehender«, denn Privatversicherte haben gar keine elektronische Gesundheitskarte (eGK) und auch keine elektronische Patientenakte (ePA) — und schon als Bundestagsabgeordneter wird Friedrich Merz vermutlich eher nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sein, als ehemaliger AXA-Aufsichtsrat ebensowenig:
Merz im Wortlaut:
[Wenn] wir z. B. alle Mittel, die wir haben mit der Gesundheitskarte, also einer elektronischen Karte, wo alle Daten drauf sind, nutzen würden und sagen, also jeder, der seine Daten bereit ist, auf dieser Karte zu speichern, bekommt 10% weniger Krankenversicherungsbeiträge als derjenige, der Angst hat und sagt, ich will das nicht, meine Daten sonllen nicht verwendet werden und so weiter und so fort — meine Antwort: Ich bin vollkommen offen dafür, das zu machen, auch persönlich, würd’s sofort machen, weil ich glaube, in unserem Land wird zu viel über Datenschutz geredet und zu wenig über Datennutzung.
Ich ignoriere mal daß das, was Merz als Zukunft mit Wahloption hinstellt, seit 15.01.2025 – mithin seit zwei Wochen vor seiner Rede – schon in der Einführung befindlich ist, von der Ampel beschlossen. Was erzählt er da also?
Und es macht es zwar nicht besser, aber ich unterstelle Friedrich Merz im weiteren Verlauf, in dubio pro reo, ›nur‹ Unkenntnis in der Sache: es sind – natürlich – mitnichten »alle Daten« auf dieser Plastikkarte mit Chip »drauf«, und das ist Teil des Problems. Die eGK ist nur quasi der Schlüssel, mit dem z. B. die Arztpraxis meine ePA in der Cloud der Gematik aufschließen kann — um damit für IIRC 90(!) Tage schreibenden und lesenden Zugriff auf alle meine (freigegebenen) Gesundheitsdaten zu haben. Effektiv überall, wo ich meine eGK ins Lesegerät stecke oder stecken lasse, besteht für einen exzessiven Zeitraum quasi Vollzugriff auf meine Daten in der ePA. Das ist Problem eins.
Problem zwei ist genau die zentralisierte Datensammlung. Detailierte Gesundheitsdaten von 70 Millionen Versicherten — das ist ein Datenschatz, den neben Merz sicherlich auch unbefugte Dritte gerne heben (lies: kopieren) wollen. Lägen alle Daten tatsächlich nur auf meiner physischen eGK, könnte ich diese entsprechend physich schützen und auch die Zugriffe kontrollieren.
Denn das ist Problem drei: anders als von Internetdiensten gewohnt, wo man z. B. bei Zugriff auf sein Konto von einen neuem Gerät einen Hinweis erhält, ist der Zugriffe auf meine ePA-Daten gezielt intransparent: ich öffne mit dem Einstecken meiner eGK in ein Lesegerät in einer Praxis, Apotheke, … jener der Vollzugriff, Punkt. Wer wann, oder gar warum, auf welche meiner ePA-Daten zugegriffen hat: ich würde es nie erfahren.
Selbst Vertretungen der Ärzteschaft sind not amused; dabei wäre eine absolut sichere ePA wirklich sinnvoll. Aber schon, daß der Gesetzgeber die »ePA für alle« per Opt-out-Verfahren ins Leben gerufen hat, läßt Fragen offen. Daß diese Daten aber auch »automatisch in pseudonymisierter Form an das Forschungsdatenzentrum Gesundheit weitergeleitet« werden – Fritzes Datenschatz in Auswertung — hat mit »informationeller Selbstbestimmung« nicht mehr viel zu tun …
Aber am meisten regt mich wirklich das »offen dafür, das zu machen, auch persönlich, würd’s sofort machen« auf: 1. wurde das, wovon Merz schwadroniert, durch die SPD-Grünen-FDP-Koalition zu Januar 2025 längst umgesetzt (per Opt-out für alle, die sich nicht kümmern, und mangels 10%-Bonus für Teilnehmende auch noch günstiger als Fritzes Vorstoß) und 2. ist Merz genausowenig eGK-Besitzer, wie er vom deutschen Rentensystem betroffen ist.