Ja, aber … warum?

Ich bin über ein Video gestolpert, wo jemand eine Mailbox, auf einem C64 laufend, 2023 zu reaktivieren versuchte.

Screenshot nach "telnet snobsoft.de 6401": Ausgabe des Banners der Mailbox — und ^S wird ignoriert.
BBS-Feeling 2024: to be honest, ich habe das nicht wirklich vermißt 😉
Und es hat geklappt, sort of. Nach Anpassung der originalen Software auf ›modernere‹ Modem-Befehlssätze und ein paar anderen Hürden ist die Mailbox mittlerweile aus dem Internet erreichbar.

Unter anderem wird im Video auch gezeigt, daß man diese Mailbox nicht nur auf echter C64-Hardware aus den 80ern, sondern auch emuliert unter Windows 10 laufen lassen kann – Windows vermisse ich in meinem täglichen Leben tatsächlich noch seltener als Bulletin Board Systems der 80er –, eine nebensächlich interessante, aber für die Nachahmung eher unnütze Information.

Screenshot der zeigt, daß die Mailbox ~40 Minuten in der Vergangenheit läuft.
Die nach 40 Jahren reaktivierte Mailbox ist nur rund 40 Minuten den Realität hinterher. Ob das Absicht ist?
Daß das mittlerweile aus dem Internet erreichbare BBS von vor 40 Jahren just rund 40 Minuten der Echtzeit hinterherläuft – zumindest gerade eben –, ist das dem Fehlen einer ntp-Implemenation zu verdanken, oder eine bewußte Anspielung? Zeitansage als auch Auskunft gibt’s von der Telekom im Telefonnetz nicht mehr, und mit 0,0000003 GBit/sec ist eine Echtzeitanfrage auch eher müßig.

Apropos Telefonnetz: Ja, Pulswahl unterstützt wohl schon die Fritz­box 7490 nicht mehr offiziell — meine Fg Tis 282, W48 oder W49 beschweren sich allerdings nicht 😉 Und der post-2000 aufgewachsenen Gen Z zu zeigen, wie ›man‹ früher (Fern-) Gespräche aufgebaut hat: priceless. Aber will ich Pulswahlverfahren oder Drehscheibentelefone zurück? Ganz sicher nicht, ich habe den Tag gefeiert, als Zuhause endlich ein 01 LX einzog. Gemietet, aber auch mit Pulswahl ging da schon Wahlwiederholung … (Nur sprichwörtlicher) Opa schweift ab.

Screenshot aus der ›snobsoft-Mailbox‹, es werden Beiträge aus 1986 angezeigt: DSVGO?
Daten von 1986 einer pri­va­ten Mail­box nun öff­ent­lich zu­gäng­lich: ob neue oder al­te Be­trei­ber DSGVO-kon­for­me Ein­wil­li­gung­en vor­le­gen könn­ten?
Wobei, eigentlich nicht. Denn die eingangs gestellte Frage nach dem ›warum‹ stellt sich mir nachwievor.

Auch, gerade, bezüglich des bereitgestellten Contents — neben neuen Banalitäten aus 2023 und 2024 echte ›Schätze‹ aus 1986:

PRUEGELPRIESTER 

vom:   freitag    22.08.86  06:26'27 pm

An Rubber Duck:
Fick dich ins Knie DU Arschloch.
Ich habe da noch einen Windhund
zu verkaufen.(124km/h)
Von 0 auf 100 in 4 secunden.
Koschtenpunkt laeppische DM2000

Tausche gegen Honeckerkroeten.

Äh, ja. Was sagt eigentlich die DSGVO dazu, Beiträge, die 1986 nur einem kleinen Nutzerkreis zugänglich waren, 2024 der Internetöffentlichkeit zugänglich zu machen?

Mitte der 90er waren ›wir‹ im Usenet ja mit DejaNews konfrontiert, insofern einem Novum, als daß seinerzeit Beiträge im Usenet ›vergänglich‹ waren: jeder Newsserver (Server im Usenet) hielt aus Platzgründen einzelne Beiträge nur soundsolange — nach 2, 4, 12 Wochen konnte man normalerweise davon ausgehen, daß der eigene Senf das Zeitliche segnete. Auftritt Dejanews: wir speichern ›das Usenet‹ nicht nur unbegrenzt, wir geben anonymen Nutzern per Webinterface auch weitreichende Suchoptionen. In der Folge gab es Leute wie mich, die den Claim ›das Internet vergißt nichts‹ verinnerlicht hatten und weitgehend zu dem standen, was sie jemals geäußert hatten – nicht, daß nach Zeitablauf das eine oder andere gerne dem Vergessen anheim fallen hätte dürfen – und andere, die das als Eingriff in ihre Privatsphäre auffaßten und rundheraus ablehnten. (Mind you: $damals war das kommerzielle Ausschlachten privater Beiträge schon ein Thema — insofern doppelt interessant, wie das Training von KIs anhand von ›öffentlichen‹ Daten so gar keinen Aufschrei hervorruft bzw. allgemein hingenommen wird. Bzw. teils auch niedergeschwiegen …)

Anyway: eine Mailbox nach 40 Jahren mit den seinerzeitigen Originaldaten wiederzubeleben und ins Internet zu hängen — IMHO müßte dazu eine Freigabe nach DSGVO erfolgen, vorab. Durch jeden User einzeln, bevor seine (d/m/w) Daten freigegeben werden — etwas, was die Software aus der IT-Steinzeit wohl eher nicht umzusetzen in der Lage ist. Aber statt dessen die DSGVO einfach ignorieren? Bold move, guys …

That said: Hut ab für die Beharrlichkeit bezüglich der Umsetzung, auch wurde erkannt, daß Modemeinwahl 2023/2024 eher eine Nischenoption ist — wer heute noch faxt, weiß um die Probleme mit Modems der 80er- und 90er-Jahre (beidseitig nicht komprimierenden ISDN-Codec G.711 nutzen oder leiden) … Aber jenseits dessen: große Fragezeichen.

FTR, das Video (YT):

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