Universaldienst mit 10 MBit/sec, seriously? Wir haben 2022.

Lustig. Internetzugang soll wohl zum »Universaldienst« erhoben werden, und endlich eine Definition von »breitbandig« erfolgen. Groß dabei ist nur das allgemeine Weh­klagen.

In 2019 sprach die BNetzA noch von »56 KBit/s« als Bandbreite des für Nutzer ver­füg­bar zu seienden Internet­zu­ganges — wenn­gleich es keine Hand­habe ge­gen­über Un­ter­nehmen gäbe, diese zu ver­pflich­ten, diese Band­breite auch be­reit­zustellen.

Alle Ausbauversprechen der von Angela Merkel (CDU) geführten Regierungen, zuletzt das von flächendeckendem Glasfaserausbau (bzw. »Gigabit«) bis 2025, wurden nicht eingehalten. (Siehe auch: »Ziel ist, den flächen­deckenden Aus­bau mit Giga­bit­netzen bis 2025 zu erreichen, damit die Potenziale der Di­gi­ta­li­sier­ung in Deut­schland voll­um­fäng­lich ge­nutzt werden können.« — Gigabit-Rahmenregelung BMVI, 13.11.2020) Und es wird auch dem Versprecher des nun Kanzlers Scholz nicht anders gehen: »Ich will, dass Deutschland eine Gigabit Gesellschaft wird«, allerdings nun bis zum Jahr 2030 — das wäre, im für Olaf Scholz optimalen Fall, am Beginn seiner dritten Amtszeit. Won’t happen, Olaf. Neither, not by just wishful thinking …

Aber lassen wir das Gigabit-Debakel mal außen vor — es gibt ja durchaus Wohn­quartiere auch in eher bewohnten Ge­gen­den, wo noch heute die Ge­setz­mäßig­keiten und Ge­schwindig­keiten von ADSL2 greifen, und wo der Mobilfunkausbau genau gar keine Alternative bietet, weil mehr als Sprachtelefonie die Netze nicht leisten. Ja, alle Netze, O2, Telekom und Vodafone — ausweislich der jeweiligen eigenen Portale. Den Bewohnern wäre latent mit einem Universaldienst von 10 MBit/sec über die Kupferdoppelader schon richtig toll geholfen — oder‽

Jein; denn: »Die Bundesnetzagentur tritt beim Universaldienst für eine Daten­über­tragungs­rate von 10 MBit/s ein. […] Der Mindest-Upload soll bei 1,3 MBit/sec und die Latenz bei höchstens 150 Milli­sekunden liegen.« Das entspricht technisch ADSL2 mit Annex-J, einer Technik, die schon seit einigen Jahren aus den Verteilerkästen geflogen ist zugunsten von VDSL2 mit Vectoring (ITU G.993.5). Und schließt auch über die RTT-Anforderungen klassisches Satelliten-Internet stumpf direkt aus — dürfen ›die‹ das‽ Das macht weder technologisch einen Sinn, noch wäre das ein »nutzbarer Zugang« nach praktischem Ermessen. 1 MBit/sec als Upstream ist schon seit Jahren überholt — VDSL2 (ohne Vec­tor­ing) bietet bei typischen Aus­bau­szenarien wenigs­tens 5, wenn nicht 10 MBit/sec im Up­stream (heute, mit Vec­tor­ing: technisch max. 250/40; an­schluß­spe­zifisch, was gebucht wurde).

Ob man nun 30 oder 50 MBit/sec als minimale Down­load­band­breite vorsieht – der Ver­braucher­zen­tra­le Bun­des­ver­band ist ja gerade von 50 auf 30 erweicht – oder auch nur 10, wie es der BNetzA verschwebt: wichtig ist die Betrachtung der Senderichtung – des ›Uploads‹ –, und hier darf nichts unter 5 MBit/sec akzeptiert werden:

Bandbreitenanforderungen für Gruppen-HD

Standard HD (720p)

Videoanrufe mit zwei Teilnehmern: 1,2 MBit/s (Up-/Download)
Gruppenvideotelefonate: 2,6 MBit/s / 1,8 MBit/s (Up-/Download))

Full HD (1080p)

Videoanrufe mit zwei Teilnehmern:
Für den Empfang von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,0 MBit/s er­for­der­lich.
Für das Senden von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,8 MBit/s er­for­der­lich.
Gruppenvideotelefonate:
Für den Empfang von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,0 MBit/s er­for­der­lich.
Für das Senden von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,8 MBit/s er­for­der­lich.

Quelle: Zoom-Support

Zeitgemäßes Videoconferencing benötigt schlicht ca. 2 MBit/sec in Senderichtung (in minimalistischem 720p), und wenn in einem Haushalt zeitgleich zwei Video­kon­ferenzen statt­finden (2x Home-Office oder Home-Office + Home-Schooling/-Studying oder beliebige Kombinationen davon), wird es auch mit 5 MBit/sec in Senderichtung, im ›Upstream‹, knapp.

Insofern ist der Streit um 10, 30 oder 50 MBit/sec im Downstream für den Universaldienst müßig — aber die BNetzA-Vorgaben eines Mindest-Uploads von »1,3 MBit/sec« sind selbst für einen Single-Haushalt deutlich zu gering, und da der Universaldienst wenigstens eine Familiensituation abdecken muß – Durch­schnitts­familie mit 2 Erwachsenen und 1 schulpflichtigen Kind –, kann unter rund 5 MBit/sec im Upstream (1,8 MBit/sec * 3 => 5,4 MBit/sec) nicht von einem »nutzbaren Internetanschluß« die Rede sein.

Und das ist prinzipiell auch zweckmäßig: wo es heute keinen VDSL2-Ausbau gibt, muß faktisch von einer nicht versogten Gegend ausgegangen werden. Jetzt muß es nur noch die BNetzA kapieren …