Lustig. Internetzugang soll wohl zum »Universaldienst« erhoben werden, und endlich eine Definition von »breitbandig« erfolgen. Groß dabei ist nur das allgemeine Wehklagen.
In 2019 sprach die BNetzA noch von »56 KBit/s« als Bandbreite des für Nutzer verfügbar zu seienden Internetzuganges — wenngleich es keine Handhabe gegenüber Unternehmen gäbe, diese zu verpflichten, diese Bandbreite auch bereitzustellen.
Alle Ausbauversprechen der von Angela Merkel (CDU) geführten Regierungen, zuletzt das von flächendeckendem Glasfaserausbau (bzw. »Gigabit«) bis 2025, wurden nicht eingehalten. (Siehe auch: »Ziel ist, den flächendeckenden Ausbau mit Gigabitnetzen bis 2025 zu erreichen, damit die Potenziale der Digitalisierung in Deutschland vollumfänglich genutzt werden können.« — Gigabit-Rahmenregelung BMVI, 13.11.2020) Und es wird auch dem Versprecher des nun Kanzlers Scholz nicht anders gehen: »Ich will, dass Deutschland eine Gigabit Gesellschaft wird«, allerdings nun bis zum Jahr 2030 — das wäre, im für Olaf Scholz optimalen Fall, am Beginn seiner dritten Amtszeit. Won’t happen, Olaf. Neither, not by just wishful thinking …
Aber lassen wir das Gigabit-Debakel mal außen vor — es gibt ja durchaus Wohnquartiere auch in eher bewohnten Gegenden, wo noch heute die Gesetzmäßigkeiten und Geschwindigkeiten von ADSL2 greifen, und wo der Mobilfunkausbau genau gar keine Alternative bietet, weil mehr als Sprachtelefonie die Netze nicht leisten. Ja, alle Netze, O2, Telekom und Vodafone — ausweislich der jeweiligen eigenen Portale. Den Bewohnern wäre latent mit einem Universaldienst von 10 MBit/sec über die Kupferdoppelader schon richtig toll geholfen — oder‽
Jein; denn: »Die Bundesnetzagentur tritt beim Universaldienst für eine Datenübertragungsrate von 10 MBit/s ein. […] Der Mindest-Upload soll bei 1,3 MBit/sec und die Latenz bei höchstens 150 Millisekunden liegen.« Das entspricht technisch ADSL2 mit Annex-J, einer Technik, die schon seit einigen Jahren aus den Verteilerkästen geflogen ist zugunsten von VDSL2 mit Vectoring (ITU G.993.5). Und schließt auch über die RTT-Anforderungen klassisches Satelliten-Internet stumpf direkt aus — dürfen ›die‹ das‽ Das macht weder technologisch einen Sinn, noch wäre das ein »nutzbarer Zugang« nach praktischem Ermessen. 1 MBit/sec als Upstream ist schon seit Jahren überholt — VDSL2 (ohne Vectoring) bietet bei typischen Ausbauszenarien wenigstens 5, wenn nicht 10 MBit/sec im Upstream (heute, mit Vectoring: technisch max. 250/40; anschlußspezifisch, was gebucht wurde).
Ob man nun 30 oder 50 MBit/sec als minimale Downloadbandbreite vorsieht – der Verbraucherzentrale Bundesverband ist ja gerade von 50 auf 30 erweicht – oder auch nur 10, wie es der BNetzA verschwebt: wichtig ist die Betrachtung der Senderichtung – des ›Uploads‹ –, und hier darf nichts unter 5 MBit/sec akzeptiert werden:
Bandbreitenanforderungen für Gruppen-HD
Standard HD (720p)
Videoanrufe mit zwei Teilnehmern: 1,2 MBit/s (Up-/Download)
Gruppenvideotelefonate: 2,6 MBit/s / 1,8 MBit/s (Up-/Download))Full HD (1080p)
Videoanrufe mit zwei Teilnehmern:
Für den Empfang von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,0 MBit/s erforderlich.
Für das Senden von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,8 MBit/s erforderlich.
Gruppenvideotelefonate:
Für den Empfang von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,0 MBit/s erforderlich.
Für das Senden von 1080p-HD-Video sind mindestens 3,8 MBit/s erforderlich.Quelle: Zoom-Support
Zeitgemäßes Videoconferencing benötigt schlicht ca. 2 MBit/sec in Senderichtung (in minimalistischem 720p), und wenn in einem Haushalt zeitgleich zwei Videokonferenzen stattfinden (2x Home-Office oder Home-Office + Home-Schooling/-Studying oder beliebige Kombinationen davon), wird es auch mit 5 MBit/sec in Senderichtung, im ›Upstream‹, knapp.
Insofern ist der Streit um 10, 30 oder 50 MBit/sec im Downstream für den Universaldienst müßig — aber die BNetzA-Vorgaben eines Mindest-Uploads von »1,3 MBit/sec« sind selbst für einen Single-Haushalt deutlich zu gering, und da der Universaldienst wenigstens eine Familiensituation abdecken muß – Durchschnittsfamilie mit 2 Erwachsenen und 1 schulpflichtigen Kind –, kann unter rund 5 MBit/sec im Upstream (1,8 MBit/sec * 3 => 5,4 MBit/sec) nicht von einem »nutzbaren Internetanschluß« die Rede sein.
Und das ist prinzipiell auch zweckmäßig: wo es heute keinen VDSL2-Ausbau gibt, muß faktisch von einer nicht versogten Gegend ausgegangen werden. Jetzt muß es nur noch die BNetzA kapieren …